Günter Marnau,Fotokunst 

Es war einmal vor langer Zeit

Nein. Doch.
Lady Schicksal und Lady Langmut lagen im Gras und planten die Weltläufe von vielem, auch für mich. Mit viel Spaß ließen sie mutig lange Schicksalsfäden spriessen, die eines Tages dazu führen sollten, daß ich "El commanDANte" kennenlernen sollte. Doch aktuell wußte ich nichts davon. Wie an so vielen Tagen, die sich mal Montag, mal Sonntag nannten saß ich seligtrunken in einem Ess- und Trinkzimmer und versuchte zu erkennen, was ich vor mir sah. Nicht ganz einfach:

Was mag in diesen Flaschen gewesen sein? Wieso sind sie leer? Ich war mir nicht sicher, daß ich mich daran erinnern wollte. Nach einer Weile Grübeln kam ich zu dem Schluss, dass es besser sei, Löcher, schöne runde Löcher in die Luft zu starren. Also los. Nicht so einfach wie man denkt! So viele Menschen haben mir schon erzählt, dass sie einfach so und ohne Anstrengung Löcher in die Luft gestarrt haben. Und ICH?

Löcher? Rund?

Nicht mal das wollte mir gelingen. Eindeutig einfach ein paar - wie soll man die Dinger nennen - Flecken(?). Ein Gefühl von "was soll das Alles", "was will das Schicksal von mir" kam in mir hoch. Vor meinen Augen schien die Welt zu explodieren.

Die kleinen, lieben, bunten Flecken, sie zerstoben in kleinen Fetzen zu einem gleissenden Licht. Lange hatte ich keinen Mut, genau hinzu sehen. Hinter meinen Augenlidern, also auf der Seite wo meine Nase sein sollte, war ein Licht so hell, dass ich Schäden befürchtete. Es wurde langweilig und ich musste all meinen Mut zusammennehmen. Auf die Augen und jemand stand vor mir:

Na ja, zunächst

habe ich es nicht geglaubt, ich war mir sehr sicher, dass die Haustür verschlossen und kein Fenster kaputt war. Nur wer weiss, die explodierten Lichtflecken mussten ja irgendwo geblieben sein, vielleicht haben sie sich gesammelt, nachdem sie aus ihrem dunklen Gefängnis befreit wurden?, wer weiss schon irgendetwas? Ich hatte mal gehört, dass nach den Gesetzen der Thermodynamik und der Statistik zu den Untersuchungen eines Herrn Boltzman ohne weiteres plötzlich jemand vor einem stehen kann und einen beobachtet. Das jedenfalls tat dieser Kerl, er beobachtete mich und beobachtete mich. Das half mir über die peinliche Lage hinweg, dass ich ihm nichts zu trinken anbieten konnte, da ja alle Flaschen leer waren. Also fragte ich ihn, wonach ihm denn der Sinn stehen würde, wenn "trinken" nicht angesagt sei. "schauen wir uns doch die Welt an" sagte er einfach. Ja, er sagte dass so ganz ruhig und normal, wie ich es auch sagen könnte, hätte ich es gewollt. Da ich nichts Besseres vorschlagen konnte, stimmte ich zu. "Wo gehen wir hin?" fragte ich, "Wie heisst du?". "Nenne mich El commanDANte." sagte er und wischte mit einer lang ausgeholten Armbewegung die Flaschen vom Tisch. Der Tisch war jedoch nicht leer. Ein rundes Spielfeld war plötzlich zu sehen. "Komm, wir lassen das Schicksal entscheiden, wo wir hingehen." sprach mein neuer Freund und forderte mich auf das Spiel zu beginnen. Irgendwie wußte ich, dass ich auf die "18" setzen sollte. Meine Glückszahl, mit 18 durfte ich erstmals, ach, das gehört hier nicht her.

Erstaunlicherweise war ich gar nicht gelangweilt, ein Kribbeln erfüllt mich und ich wußte, hier bot das Schicksal mir seine Friedenspfeife an, ich konnte nur gewinnen. "Alles auf die 18", sagte ich mit fester Stimme. Einen Moment später wurde mir bewußt, dass ich nicht im geringsten wusste, was es bedeuten sollte, wenn die 18 auftaucht, gewinnt, erscheint oder was auch immer bei diesem Spiel passieren würde. Ich schaute mir die Spielfläche erneut an und sah jetzt die 18. Sie war da, aber wofür?
El commanDANte lächelte leicht und forderte mich auf, die Augen zu schliessen, weil jetzt wieder die Lichtexplosion kommen würde, die ich schon kannte, mit der er aufgetaucht war. Sie würde uns zum Ziel unserer Reise führen.

Ziel?

Hatten wir darüber gesprochen? War nicht der Weg das Ziel? Sollte das heissen, dass wir jetzt eine Wanderung beginnen würden? Aber was soll es, die Flaschen waren jetzt nicht nur leer, sie waren auch irgendwie nicht mehr da, jedenfalls nicht auf dem Tisch. Durch die blendende Helligkeit konnte ich nicht sehen, ob ich nicht in lauter Scherben treten würde, wenn ich hier bliebe, also los. Nichts passierte, ich fühlte nichts, oder? War es nicht plötzlich kälter geworden? Es schien nicht mehr so hell zu sein. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und sah in eine mir völlig fremde Welt.

Diese Farben! Meine Augen haben wohl doch ein wenig gelitten. Mein neuer Freund war nicht zu sehen. Was ich sah war irgendwie unscharf. Kletterten da Menschen übereinander her? Suchten Menschen an Skulpturen nach Inschriften um zu erkennen was sie sahen? Ich sah mich um und sah nichts. Es gab tatsächlich nur dieses Etwas vor mir und sonst nur leere Fläche, wie ein Loch in das man hineinsieht und in das man dann etwas hineinsieht. Meine Verwirrung ermöglichte mir, keinen Anfall von Furcht zu bekommen. Eher wurde ich neugierig und ging auf das was ich sah zu. So langsam konnte ich klarer sehen und ich konnte immer mehr einzelne Skulpturen unterscheiden.

Das mit den Farben wurde jedoch nicht wirklich besser. Wie bei einem schwingenden Pendel wechselten die Farben von viel zu kräftig in viel zu blass. Jetzt konnte ich erkennen, dass ich nicht allein war. Andere Menschen wanderten um die Skulpturen herum und inspizierten sie. Wonach sie wohl suchten? Jedoch ich hatte keine Gelegenheit sie zu fragen, es war mir nicht möglich, Ihnen nahe zu kommen. Irgendwie hielten Sie immer den gleichen Abstand zu mir. Also blieb ich stehen und betrachtete das Treiben. Ein kleines Licht neben mir sprach und sagte: "Was sollen sie schon suchen? Menschen suchen entweder den weissen Ritter oder den heiligen Gral und da hier keine Ritter sind...". Langsam dämmerte mir der fehlende Sinn dieser Feststellung, wie sollte eine Logik existieren, die bedeuten würde, "wo kein weisser Ritter ist, ist ein heiliger Gral"? Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren, der weisse Ritter, ja, den hatte ich schon gefunden: "El commanDANte", warum also sollte ich nicht auch den heiligen Gral finden?

Wie hatte das

mit dem weissen Ritter funktioniert? Löcher in die Luft starren, was ist jetzt aber richtig für den heiligen Gral? Der war nicht da und wenn etwas nicht da ist, ist da wo es da sein sollte etwas was fehlte, also etwa eine Lücke oder ein Loch? Na klar, der weisse Ritter war in den Luftlöchern (ähh, Flecken, zu mehr hatte ich es ja nicht gebracht) versteckt gewesen. Der heilige Gral musste damit nicht in den Löchern in der Luft sein, eher dort wo es keine Löcher in der Luft gab. Wo war das, eigentlich doch genau dort wo ich bin, da konnten ja keine Löcher sein, weil die konnte ich ja nicht. Also war der heilige Gral genau da wo ich war. Wirklich? Ein Griff und was hielt ich in der Hand?

Aha. Ganz nett, aber will man so etwas auf dem Sideboard stehen haben? Ich hab ihn dann einfach da stehen lassen, man muss anderen auch eine Chance geben. Vielleicht hat der Kiosk ja noch auf...